Waar ik woon en wie ik ben
(Wo Ich Lebe Und Wer Ich Bin)

BIOGRAPHIE

Quellen: Boudewijn selbst; Enzyklopädie der Niederländischen Popmusik; verschiedene Biografien auf Plattenhüllen usw.
Übersetzung: Lesley Hopman.

Nach vierzig abwechselnd erfolgreichen und ein wenig ruhigeren Jahren auf der Bühne und in den Studios steht Boudewijn de Groot auf einem neuen Höhepunkt seiner Karriere. Monatelange Tourneen vor ausverkauften Häusern und eine zehnte Platte, die innerhalb eines Monats den Goldstatus erreichte.
Ein Wunderkind von 60, aber immer noch unterwegs. Der Reisende ist noch lange nicht daheim, obwohl er seit November 2002 ohne seinen langjährigen Gefährten, den Textdichter Lennaert Nijgh, unterwegs sein muss. Mit ihm bildete er vierzig Jahre lang ein berühmtes und innovatives Schreiberduo in der niederländischsprachigen Popmusik. "Das Leben fängt mit 40 an" bekommt plötzlich eine bemerkenswerte Bedeutung.


Boudewijn de Groot wurde am 20. Mai 1944 in einem japanischen Internierungslager in Batavia auf Java in Niederländisch-Ostindien (heute Djakarta, Indonesien) geboren. Seine Mutter starb dort Juni 1945 und ein Jahr später zogen die übrigen Familienmitglieder in die Niederlande. In Haarlem wohnte Boudewijn bei seiner Tante. Sein Bruder und seine Schwester wurden woanders untergebracht, weil der Vater nach Indien zurückkehren musste, um die Rente zu sichern. 1951 kam die Familie wieder zusammen und zog 1952 nach Heemstede um, nachdem sein Vater wieder geheiratet hatte.
In der gleichen Strasse, wo sie sich niedergelassen hatten, lebte auch ein kleiner Junge mit dem Namen Lennaert Nijgh, ein Freund von Boudewijns Stiefbruder. Lennaert und Boudewijn sahen einander regelmässig, doch hatten nicht miteinander zu schaffen. Das geschah erst viel später, im Herbst 1961. Boudewijn spielte bereits Gitarre und begleitete sich beim Singen von Jaap Fischer und Jacques Brel-Liedern. Auf dem Haarlemer Coornhert Lyceum war sein Erfolg damit gesichert und über eine Gruppe von Jungen und Mädchen kam er wieder in Kontakt zu Lennaert, der zwar auf einer anderen Schule war, aber mit dem Coornherter Freundeskreis verkehrte.


MNach dem Abitur 1962 trug Boudewijn sich bei der Niederländischen Filmakademie in Amsterdam ein. Auch Lennaert zeigte Interesse für die Breitwand und zusammen entschlossen sie, einen 8-mm-Film mit dem bereits genannten Freundeskreis zu machen. In diesem Film singt Boudewijn zwei selbstgeschriebene Lieder, 'Pubertair' ['Pubertär'] (später 'De Kater' ['Der Kater'] genannt) und 'Bij het raam' ['Am Fenster'], das den Titel bekam, weil es unter einem Fenster gesungen wurde und Boudewijn den Text ohne Titel geschrieben hatte. Das 'Kunstwerk' wurde im Frühjahr und Sommer 1962 aufgenommen und hinterher mit Dialogen, Toneffekten und Musik versehen, was für einen 8-mm-Film bemerkenswert ist. Die offizielle Uraufführung fand am 29. Dezember 1962 statt. Während einer späteren Aufführung im Familienkreis, Anfang 1964, war der ebenfalls anwesende damalige Nachrichtensprecher Ed Lautenslager mehr beeindruckt vom Musik- und Texter-Talent des Duos als von dem Film. Er empfahl ihnen, einige Lieder zu schreiben, die er dann über eine Verbindung bei der Plattenfirma Phonogram anbieten würde. Einige Monate später, am 14. Mai 1964, nahm Boudewijn die Titel 'Élégie prenatale' [Elegie pränatal'], 'Strand', 'Sexuele voorlichting' ['Sexualaufklärung'] und 'Referein voor…' [Refrain für…'] auf und begleitete sich selbst auf einer Spanischen Gitarre.


Die Platten verkauften sich schlecht, blieben aber nicht unbeachtet. Während Boudewijns erstem TV-Auftritt in der Talentwettbewerb-Sendung "Nieuwe Oogst" regte vor allem die Publikumsjury sich gehörig auf über den skandalösen Text von 'Élégie..'. Die Fachjury aber erkannte das Talent des Duos und belohnte Boudewijn mit dem ersten Platz. Der TV-Auftritt führte zu Boudewijns erster Einladung zu einem Saalauftritt: in einer Kirche (De Kolenkit) für eine reformierte Jugendbewegung in Amsterdam-West für ein Honorar von 25 Gulden einschl. Reisekosten. Es war ein regnerischer Abend, jedoch unwiderlegbar der Anfang einer strahlenden Karriere. Wim Ibo bat ihn, in seinem "Cabaretkroniek" aufzutreten. Das zeigt, dass Boudewijn anfangs als Kabarettist gesehen wurde, und Cobi Schreijers "Waagtaveerne" in Haarlem wurde sozusagen der musikalische Heimathafen von Boudewijn und Lennaert. Letztgenannter würde hier seine ewig unerreichbare Liebe treffen, für die er kurz darauf die LP 'Voor de overlevenden' ['Für die Überlebenden'] schrieb.

Kein Hitsong, Familienoberhaupt, abgelehnt als Kameramann beim Fernsehen, vom Wehrdienst freigestellt auf Grund der Tatsache, dass er der einzige Ernährer war: genug Gründe, nach einem geregelten Einkommen zu suchen. Das Essen verdiente Boudewijn sich als Lagergehilfe im Amsterdamer Kaufhaus "Bijenkorf" ab Oktober 1964 bis zum Sommer 1966.
Zwischendurch war er noch ein Jahr lang zu hören als Rundfunksprecher im Piratensender Veronica, wo er unter dem Namen Marcel Versteegh u.a. eine Jazz-Sendung moderierte. Die ersten drei finanziellen Misserfolge brachten die Plattenfirma dazu, Boudewijn und Lennaert mehr oder weniger zu zwingen, eine kommerziellere Richtung einzuschlagen. Produzent Tony Vos, der bedingungslos an das Talent der zwei Künstler glaubte, schlug vor, eine Übersetzung der englischen Fassung des Aznavour-Titels 'Un enfant de seize ans' zu machen, der von Noel Harrison unter dem Titel 'A young girl of sixteen' zum Hit geworden war. Sein Arrangement wurde Note für Note übernommen für 'Een meisje van zestien' ['Ein Mädchen von sechzehn']. Und mit Erfolg, obwohl es, was Boudewijn betrifft, nicht von Herzen kam. Er und Lennaert waren noch zu sehr beschäftigt mit Chansons, Folk und "künstlerisch sein". Elektrische Gitarren, Bassgitarre und Schlagzeug waren für die Beatmusik und das war etwas völlig anderes. Aber "das Mädchen" nistete sich ab Oktober 1965 für 13 Wochen in der Hitparade ein, das grosse Publikum entdeckte Boudewijn de Groot und damit ebenfalls Lennaert Nijgh und mit ihnen wurde die Trennlinie zwischen "kulturell akzeptierter Musik" und "Musik für das grosse Publikum" aufgehoben.

Der nächste Hit war 'Welterusten, mijnheer de president' [Schlaf wohl, Herr Präsident'] und dann begann die Zeit, in der Boudewijn sich ganztägig dem Musikschreiben, Platten aufnehmen und Auftritten widmen konnte. Die erste LP, auf der beide Titel zu finden sind, verkaufte über alle Erwartungen. Auf der Platte stehen einige Übersetzungen von Songs von Donovan und Bob Dylan; Lennaert fügte hier noch einige andere Protestlieder hinzu und es kostete Boudewijn über viele Jahre hinweg enorme Anstrengungen, den Titel "Protestsänger", den er so verabscheute, loszuwerden. Andererseits bedeutete es, dass er in demselben Zeitraum zum beliebtesten Sänger der Niederlande wurde. Das resultierte in einem ersten Platz in der Hitparade im Frühjahr 1967 mit dem karnevalistischen 'Het Land van Maas en Waal' ['Das Land von Maas und Waal']. Der durch das Werk von Hieronymous Bosch inspirierte Text von Lennaert wurde von Boudewijn mit Musik versehen mit der ursprünglichen Absicht, dem Lied die Atmosphäre mitzugeben von Bob Dylans 'Rainy day women #12 & 35'. Der Arrangeur Bert Paige sah es etwas mehr in der europäischen Tradition und machte einen Karnevalshit daraus.

Die LP 'Voor de overlevenden' (1966; Goldene und Platin Platte, Edison Auszeichnung) wurde im allgemeinen als Boudewijns erstes wirklich komplettes Produkt gesehen. Ein Album voller Klassiker mit Themen wie verlorene und unerreichbare Lieben, vorübergehende Freundschaften und vergangene Jugend.
Vor allem die Unerreichbarkeit dieser einen grossen Liebe, der Kummer und das Unverständnis darüber und ebenfalls das Wissen, dass sowas bei allen grossen Künstlern zu Meisterwerken geführt hat, machten die Texte von Nijgh auf dieser Platte zu literaren Juwelen, die von niemandem in der niederländischsprachigen Popmusik erreicht worden sind. Die LP war auch die erste, die ausschliesslich Arrangements von Bert Paige enthielt, der sich auf der nächsten Platte als der allerbeste und vielseitigste in seiner Branche profilieren würde. Unter dem Einfluss der aufkommenden Hippie-Bewegung und mehr oder weniger "herausgefordert" von der revolutionären LP-Erscheinung 'Sergeant Pepper's Lonely Hearts Club Band' beschlossen De Groot und Nijgh, auf das Phänomen psychedelische Popmusik aufzuspringen.

Die LP 'Picknick' (1967; Goldene und Platin Platte, Edison Auszeichnung) war das Resultat. Das gleiche Team der zwei ersten Alben, Produzent Tony Vos, Arrangeur Bert Paige und Techniker Albert Kos stand den beiden beiseite, das Budget war reichlich und alles schien möglich. Das ergab sich vor allem aus den Arrangements von Paige, der alle Hemmungen abschüttelte und die Texte mit farbigen Kristallen, bunten Blumen, Mantel mit Glöckchen, wieder Hieronymous Bosch, Sonne, Honig, Gesang und Tanz mit atemberaubenden Arrangements versah. Das Duett mit Elly Nieman, 'Meester Prikkebeen' ['Meister Stichbein'] ergab eine neue Top-Zehn-Plazierung für Boudewijn und die Underground-Zeitschrift "Hitweek" nannte die LP das erste richtige Popalbum in niederländischer Sprache. Mit Lennaert schrieb Boudewijn nun auch Titel für andere Interpreten, unter anderem für Liesbeth List.

Im nächsten Jahr wurde die Zusammenarbeit zwischen Nijgh und De Groot wegen einem Projekt unterbrochen, das Boudewijn mit seinem Studiengenossen der Filmakademie Lucien Duzee startete. Zusammen schrieben sie der Text für eine Art Hörspiel mit dem Titel 'Heksensabbath' ['Hexensabbat]. Das Epos bildete den grössten Teil vom Album 'Nacht en ontij' ['Nacht und Nebel'], auf der ausserdem noch das Lied 'Babylon' steht, sowie ein kurzes musikalisches Intermezzo. 'Babylon' wurde von Lennaert geschrieben, doch Boudewijn änderte soviel daran, dass er auf dem Label als Texter erwähnt steht.
Das musikalische Intermezzo entstand spontan im Studio, wo es ein neues Instrument gab: das Mellotron, ein Klavierinstrument, das aus einer grossen Anzahl von kurzen Audiotapes besteht, die von ein Pianoklavier aktiviert werden konnten und so den Ton von einem Musikinstrument hören liessen, z.B. Streichinstrumente, Blasinstrumente, Gitarre, Bass, usw. Auf diese Weise konnte man eine Melodie und auch die Begleitung spielen. Ein Vorläufer des Samplers sozusagen.
Als Gimmick wurde bei dem Album eine kostenlose Single beigefügt mit den Titeln 'Aeneas nu' ['Aeneas nun'] und 'Wie kan me nog vertellen' ['Wer kann mir noch erzählen'], beide mit einem Text von Boudewijn, obwohl für den ersten Titel dasselbe gilt wie für 'Babylon'. Lennaert schrieb den ursprünglichen Text, aber Boudewijns Änderungen waren so rigoros, dass er als Textdichter erwähnt steht. 'Heksensabbath' ist gefüllt mit Symbolik, okkulten Szenen, Hexen, Teufeln, Magiern, Kobolden (von Boudewijn auf der Platte hartnäckig und versehentlich Kobolten genannt) und Satanverehrern. Es wurden reichlich mythische und mystische Namen benutzt und die Niederländer waren nicht begeistert darüber. Der Verkauf war enttäuschend im Vergleich zu den vorigen Platten, obwohl es bis zum heutigen Tag eine sehr treue Gruppe von Fans gibt, die diese Platte hegen und pflegen.

Die Platte fand keinen Beifall, die Zusammenarbeit mit Lennaert wurde ausgesetzt, die Auftritte im Land führten oft zu enormen Frustationen, weil das Publikum die Versionen von Boudewijns Alben erwartete, aber nur eine einfache Gitarrenbegleitung zu hören bekam. In den Zeiten der Beatmusik kam das nicht gut an und führte zu unzufriedenen Reaktionen. Dies war einer der Gründe, warum Boudewijn sich entschloss, das niederländische Repertoire zu verlassen und sich auf die englischsprachige Beatmusik zu konzentrieren. Eine kurze Abschiedstournee mit der Band Names and Faces führte ihn 1969 durch die Niederlande und Flandern.

Im Studio wurde an einer englischsprachigen Single, 'In your life' ['In deinem Leben'] mit einer Studioband gearbeitet, die den Namen The Tower bekam. Darin spielte u.a. Eelco Gelling mit, zu der Zeit Gitarrist bei Cuby and the Blizzards. Dieselbe Gruppe hatte ihn auch schon begleitet auf 'Heksensabbath'. Die Single war erfolgreich, plazierte sich sogar in der Hitparade, war jedoch nicht der Beginn einer erfolgreichen englischsprachigen Karriere. Eine zweite Single mit The Tower war ein Misserfolg, ebenso wie zwei Versuche mit einer anderen Studiogruppe (Session), in der Ekseption-Keyboardspieler Rick van der Linden zu hören ist. Trotzdem entschloss sich Boudewijn, mit einigen Musikern nach Dwingeloo zu ziehen, mit dem Ziel, eine Band zu gründen und englischsprachige Songs zu schreiben. Das Projekt war erfolglos und nach einem rauhen Winter in Drenthe (im Nordosten der Niederlande) kehrte De Groot 1970 zurück in der Randstad. Das Geld war weg, doch die Plattenfirma Phonogram wollte ihn als Produzent haben, wahrscheinlich in der Erwartung auf neues niederländisches Material. De Groot zog nach Amsterdam, rief seinen alten Kameraden Lennaert an und schlug vor, die Zusammenarbeit fortzusetzen. Nijgh stimmte zu und 1973 erschien die LP 'Hoe sterk is de eenzame fietser' ['Wie stark ist der einsame Radfahrer']. Diesmal wurden auch Texte geliefert von Ruud Engelander. Aus seiner Feder stammt u.a. der Titel 'Jimmy', genannt nach Boudewijns jüngstem Sohn, der 1972 geboren wurde. Der Titel plazierte sich glänzend in der Hitparade, die LP war genauso erfolgreich, bekam einen Edison und wurde mit Gold und Platin ausgezeichnet.

Als Produzent war De Groot verantwortlich für die Rückkehr von Rob de Nijs, in Deutschland besser bekannt als Rob De Nis, für den er zusammen mit Lennaert Hits schrieb wie 'Jan Klaassen de trompetter' und 'Zuster Ursula'. Auch in Deutschland hatte De Nis 1974 sein Comeback nach seinem TV-Auftritt beim grossen deutschen Schlagerfestival in Kerkrade. De Groot produzierte zwei deutschsprachige Singles mit ihn und zwar 'Jan Klaassen der Trompeter' mit B-Seite 'Hé Spielmann' und die Single 'Schwester Ursula'/'Die weissen Felsen von Calais'. Die drei erstgenannten Titel wurden ebenfalls von Boudewijn komponiert. 'Schwester Ursula' wurde anfangs beim Schlagerfestival noch gesungen unter den Titel 'Mein Schwesterlein'. Später kam der geänderte Titel auf die Singlehülle, obwohl der Name Ursula in der deutschen Fassung nicht gesungen wird. In einem Interview antwortete Rob De Nis auf der Frage, ob er dazu bereit wäre, sich völlig auf den Schlager zu konzentrieren: "Nein, natürlich nicht. Ich mache es unter der Bedingung, dass ich mein eigenes Repertoire singen kann und das ist nun in Deutsch übersetzt. Boudewijn de Groot hat wie immer die Produktion gemacht. Es ist etwas ganz anderes wie das bekannte Schlagerwerk. Ich bin gespannt, ob das deutsche Publikum es akzeptiert." Boudewijn, selber auch beim Schlagerfestival anwesend, konnte zusehen, wie sein Schützling fürs niederländische Publikum dort die Uraufführung seiner neuen niederländischen Single 'Malle Babbe' ['Verrückte Babbe'] zu Gehör brachte. Der Titel, zum Hit gemacht von Rob, wurde von Nijgh und De Groot geschrieben für Adele Bloemendaal. 1975 erschien der Titel mit deutschem Text von Jörg von Schenkendorff auf der LP 'Der letzte Sirtaki' des berühmten Schlagersängers Rex Gildo. Auf der LP steht Boudewijns Name als Komponist und Arrangeur: B. Grooth. Das Lied heisst in deutsch 'Marie Babbekorn'.
De Groot produzierte auch Platten mit The Blue Diamonds, Frank Kraayeveld von The Bintangs, Oscar Benton, Willeke Alberti und Henny Vrienten, der sich Ruby Carmichael oder auch Paul Santos nannte und in Englisch sang.

1975 folgte ein Treffen mit einem anderen Mitschüler der Filmakademie, Renee Daalder, und auch diesmal war das Ergebnis eine LP: 'Waar ik woon en wie ik ben' '[Wo ich lebe und wer ich bin']. Die Texte wurden grösstenteils in einem Appartment im Zentrum von Paris geschrieben; aufgenommen wurden die Titel im funkelnagelneuen Studio von Ely van Tijn in Duivendrecht, mit Musikern wie Ernst Jansz, Willem Ennes und Hans Hollestelle. Die Platte wurde eingesungen und gemischt in The Village Recorder in Los Angeles, womit ein Jugendtraum für Boudewijn Wirklichkeit wurde: er lebte für einen Monat in Hollywood.

Zusammen mit dem späteren Album 'Maalstroom' ['Mahlstrom'] ist 'Waar ik woon en wie ik ben' die persönlichste LP aus dem Gesamtwerk von Boudewijn. Auf dieser Platte rechnet der Sänger mit seiner Vergangenheit ab und gibt einen offenherzigen Einblick auf das wer, was und wo eines 'erfolgreichen Sängers in den Niederlanden'. In einem Interview setzte er voraus, dass Lennaert (und kein einziger anderer Textdichter, was das angeht) nicht der richtige Mann war, um diese Art von persönlichen Texten zu schreiben. Das kann nur derjenige, um den es sich handelt, anders gesagt, Boudewijn selber. 1976, nach einem zweiten kurzen Aufenthalt in Amerika, machte Boudewijn de Groot eine Tournee in den Niederlanden und Flandern zusammen mit der zu dieser Gelegenheit formierten Hieronymous-Bosch Band, in der aufs Neue die Namen auftauchten von Ernst Jansz und Henny Vrienten. Das Publikum füllte die Häuser bis zum letzten Platz.

1977 flog De Groot wieder ab nach Hollywood, nun für längere Zeit, wo er im Lauf seines Aufenthalts bei der Dick Grove's School of Music einen Workshop über Musik-Arrangements besuchte. Nach einem Jahr kehrte er zurück in die Niederlande. 1979 folgte eine Tour in den Niederlanden und Flandern mit einer Band, die hauptsächlich aus belgischen Musikern bestand. Nur Henny Vrienten war übrig geblieben aus der vorigen Begleitungsgruppe. Im nächsten Jahr ging die Band ins Studio, um die LP 'Van een afstand' ['Aus der Entfernung'] aufzunehmen. Auf diese Platte finden wir auch der Titel 'Een tip van de sluier' ['Ein Zipfel vom Schleier'], der Titelsong von einem Film von Frans Bromet, mit dem Boudewijn auf der Filmakademie in derselben Klasse war.

Im Sommer des selben Jahres, 1980, entschloss sich Boudewijn, zum dritten Mal nach Hollywood zu fliegen, diesmal um seinen Arrangeurkursus abzurunden und zu ergänzen mit ein Workshop Filmmusik. Zwischendurch flog er noch einmal herüber für eine Tour mit Musikern, die ihn schon seit Jahren im Studio begleitet hatten. Von der Tour wurde eine LP gemacht, die unter den Titel 'Concert' ['Konzert'] 1982 herausgebracht wurde. 1983 kam De Groot endgültig zurück in die Niederlande.
In einem Versuch, sein Marktgebiet zu erweitern, entschloss er sich, eine deutschsprachige LP ('Bo de Groot', Mercury 812 725-1, 1983) herauszubringen mit bemerkenswert guten Übersetzungen von Jörg von Schenkendorff von bekannten und weniger bekannten Liedern aus seinem Repertoire. Die zehn Titel auf dieser LP nach Reihenfolge: 'Was vorbei ist, ist vorbei', 'Jimmy', 'Der alte Fluss', 'Ich fühle mich nicht mehr', 'Licht für Sekunden', 'Nun holt uns die Hölle', 'Der Schwimmer', 'Abflug', 'Ohne dich', 'Heut' ist kein Karneval'. Das Projekt starb jedoch, auch durch erbärmliche Promotion, einen ruhigen Tod. Boudewijn darüber: "Die Platte wurde in einem Kölner Nachtclub präsentiert, wo die Stammkunden sich fragten, wer ich um Himmels willen war und was ich da machen wollte. Die niederländische Abordnung fühlte sich genauso unwohl. Und es regnete auch noch." Ein misslungener Versuch deshalb, während die Platte viel besseres verdient hatte. Als Auskopplung erschien eine Promo-Maxi-CD (Mercury 812 726-1) mit drei Liedern: 'Was vorbei ist, ist vorbei', 'Der alte Fluss' und 'Heut' ist kein Karneval'.
Im nächsten Jahr brachte Boudewijn allen Frust über eine zerbrochene Beziehung, finanzielle Probleme und künstlerische Verwirrung zusammen in einem Repertoire von neun sehr schwermütigen Liedern. Eine Sammlung von Titeln, für die er selbst auch die Texte schrieb. Vervollständigt mit dem melancholischen 'Vlucht in de werkelijkheid' ['Flucht in der Wirklichkeit'], der einzige Text von Lennaert in diesem kleinen Gesamtwerk, bildete einiges das Repertoire für die LP 'Maalstroom'. Zuviel alles selbst machen wollen war die Ursache davon, dass die Platte nicht gut ankam, obwohl das Basismaterial sehr interessant ist. "Die Lieder finde ich immer noch wunderschön und sie verdienten dann auch eine würdigere Behandlung", so Boudewijn selbst. Selbstverständlich waren die Verkaufe dementsprechend. Das Publikum konnte nicht durch die Schwermut hindurchhören, dazu kam, dass die Arrangements nicht ausreichend packend waren.

Vielleicht war der Misserfolg von 'Maalstroom' auch die Ursache, dass De Groot 1984 beschloss, vorläufig aufzuhören. Die nächste Periode musikalischer Ruhe füllte er mit dem Übersetzen von Schauerromanen und Krimis für den Verlag Luitingh, darunter eine Anzahl von Stephen King-Büchern. Daneben stellte er für IKON eine TV-Serie über Subkultur in der niederländischen Popmusik zusammen und produzierte die Musik für eine Anzahl von Pim de la Parra-Filmen, noch ein Mitschüler der Filmakademie ('How to survive a broken heart' ['Wie ein zerbrochenes Herz zu überleben'] mit Musik von Sohn Marcel, 'De nacht van de wilde ezels' ['Die Nacht der wilden Esel'] und 'Lost in Amsterdam' ['Verloren in Amsterdam']). Daneben schrieb er die Musik für zwei Filme vom Filmregisseur Paul Ruven. Ausserdem produzierte er auch noch Platten von Bram Vermeulen, Rowwen Heze und The Shooting Party. Seine Zusammenarbeit mit Pim de la Parra trug dazu bei, dass er 1990 die Hauptrolle bekam in seinem Minimal Movie 'Let the music dance' ['Lass die Musik tanzen'].

Die musikalische Ruhe wurde erst wirklich unterbrochen von den Musical 'Tsjechov', in dem er die Titelrolle spielte. Die Uraufführung fand 1991 im Amsterdamer Stadttheater statt und das Musical wurde sehr begeistert aufgenommen. Der Name Boudewijn de Groot war fürs grosse Publikum wieder verbunden mit dem Theater. Das Schauspielen in 'Tsjechov' gefiel ihm und den Produzenten so gut, dass er 1995 gebeten wurde, die Rolle von Otto Frank zu spielen in 'Het dagboek van Anne Frank' ['Das Tagebuch von Anne Frank'] von Mies Bouhuys.

Danach war der richtige Zeitpunkt für die Rückkehr zu der musikalischen Karriere. Ab 1996 bis 1998 tourte er mit eine Gruppe von sieben auserlesenen Musikern, unter denen sein alter Kamerad Ernst Jansz, in den Niederlanden und Flandern mit dem Programm 'Een nieuwe herfst' ['Ein neuer Herbst']. Der Titel war der von der CD, die im Frühjahr 1996 erschien, eine Platte mit Arrangements und produziert von Jakob Klaasse. Klang und Farbe der CD erinnerten an die Jahre von Bert Paige und das Publikum blieb dann auch nicht zurück und feierte Boudewijn wieder stürmisch. Es wurde die nächste Goldene Platte.

Doch das Allerwichtigste war wohl der Beitrag von Lennaert, der nach vielen Jahren der Ruhe auf einmal mit wunderschönen Texten kam. Das Duo hatte es noch nicht verlernt, obwohl es mehr Zeit und Mühe als früher kostete, die Texte zu produzieren. Die Tour lief über zwei Saisons in ausverkauften Häusern und vor einem begeisterten Publikum, das alle Generationen umfasste.
Nach einer Anzahl 'normaler' Edisons bekam Boudewijn 1998 die Statue verliehen für sein Gesamtwerk. Im nächsten Jahr folgte eine genauso wichtige Auszeichnung: Ritter der Niederländische Löwenorden, eine Ernennung, die er mit Lennaert teilen durfte.

Der niederländische Sender Radio 2 zeichnete Boudewijn als ersten mit dem Radio 2 Sendezeitpreis aus. Der Preis wurde damit einem Künstler von bleibendem Wert für die niederländische Popmusik zuerkannt.

Am 19. Februar 2000 fand die Premiere der zweiten Serie Aufführungen von 'Tsjechov' statt, mit Boudewijn wieder in der Titelrolle.

Zwei Jahre später folgte wiederum eine Tour, unter den Titel 'Andere tijden' ['Andere Zeiten'] mit grösstenteils derselben Band wie bei der Tour 1996. Wieder war die Tour ausverkauft und das Publikum sehr begeistert.

2004 ist für Boudewijn das Jahr der runden Zahlen. Anfang des Jahres bringt er sein 10. Album heraus mit dem Titel 'Eiland in de verte' ['Insel in der Ferne']. Darauf sind auch einige der letzten Texte, die Lennaert Nijgh kurz vor seinem Tod im Jahr 2002 geschrieben hat. Das Album bekommt Platin.

Ausserdem feiert Boudewijn 40 Jahre Musik machen (14. Mai) und seinen 60. Geburtstag (20. Mai). Die damit verbundene kurze Jubiläumstournee 'Eeuwige jeugd' ['Ewige Jugend'] war so erfolgreich, dass eine zweite Tour mit dem gleichen Titel 2005 folgt.

Am 11. Juli 2004 wird der flämische Feiertag (zur Erinnerung an der Schlacht der Goldenen Spuren) in Brüssel mit einem grossen Konzert auf dem Grossen Markt abgeschlossen. Boudewijn de Groot ist der Hauptgast und 11 flämische Interpreten singen ihre Lieblings-Klassiker aus seinem Repertoire.

Ende 2004 ist Boudewijn als Schauspieler in der beliebten belgischen Polizeiserie 'Flikken' ['Polypen'] zu sehen. Boudewijn spielt in dieser sechsten Serie die Rolle des Profilers Robert W. Nieuwman.

Das Jubiläumsjahr wird am 6. Dezember 2004 mit einem Auftritt mit dem Metropole Orchester in Carré beendet, der direkt über Radio 2 zu hören ist.

Am 28. November 2002 starb Lennaert Nijgh nach kurzer Krankheit, zwar plötzlich, aber für Boudewijn und Lennaerts nächste Umgebung nicht ganz unerwartet. Lennaert war schon seit einigen Jahren schwach, hatte 1998 mit denselben Problemen im Krankenhaus gelegen und in den Monaten vor seinem Tod ging es zusehends abwärts mit ihm. Ein unersetzlicher Verlust, dem nur noch gegenüber steht, dass Lennaert einen kostbaren Schatz von unvergänglichen Texten hinterlassen hat, die in Lyrik, Beredsamkeit und erneuernder Wert nicht schnell übertroffen werden können. Sie sind von ausschlaggebender Bedeutung gewesen für das erwachsen werden der niederländischsprachigen Texte in der Popmusik.
Obwohl Boudewijn vierzig Jahre lang ein Duo mit Lennaert gebildet hat und dessen Texte alle diese Jahre gesungen hat und damit während seiner ganzen Karriere eine Huldigung an Lennaert gegeben hat, bringt Boudewijn am 27. November 2005 eine rührende neun Stunden dauernde Ode an Lennaert. Während 'de Marathon' ['der Marathon'] in der Philharmonie von Haarlem kamen in chronologische Reihenfolge alle 76 Lieder vor, die Lennaert und Boudewijn zusammen geschrieben haben und die Boudewijn selbst je gesungen hat, auch wenn es nur einmal war.

Ende 2005 erreichte das Lied 'Avond' ['Abend'] den ersten Platz der Radio 2 Top 2000 aller Zeiten und verstiess damit 'Bohemian Rhapsody' von Queen von dem ersten Platz. 'De avond' ['Der Abend'] war anfangs 1973 geschrieben und komponiert für Rob de Nijs für dessen Album 'In de uren van de middag' ['In den Stunden des Nachmittags']. Lennaert Nijgh schrieb damals der Text für seine Freundin Anja, die jetztige Ehefrau von Boudewijn. 1995 schrieb Boudewijn das Lied um und nahm der Titel auf für sein Album 'Een nieuwe herfst'. Anja ist seit 1995 die Ehefrau von Boudewijn.

Genau wie in 2003 tourt Boudewijn 2006 kurz mit dem Limburgisch Synfonie Orchester durch die Niederlande und Flandern.

Anfang 2007 erscheinen gleichzeitig ein Buch: 'Hoogtevrees in Babylon' ['Höhenangst in Babylon'] in dem Boudewijns eigene Texte mit Erklärungen versehen werden und eine neue CD: 'Lage Landen' ['Niedrige Länder'] für die Boudewijn 6 eigene Texte schreibt.

Zu gleicher Zeit startet eine neue Tournee mit demselben Namen: 'Lage Landen'.

Mit seiner neuen CD steht Boudewijn innerhalb einer Woche auf Nummer 1 in der niederländische Top 100. Soweit bekannt, wurde dies noch nie zuvor von einem Altersgenossen geleistet.

Am 26. März 2007, in der TV-Sendung "Pauw en Witteman" durfte Boudewijn eine Goldene Platte für sein Album 'Lage Landen' in Empfang nehmen.

Am 20. und 21. April 2007 wird Boudewijn (genau wie vor 10 Jahre) wieder der Hauptgast der belgischen Nekka-Nacht in Antwerpen sein.

Anfang Mai 2007 sendete das Niederländische Radio 2 die Top 100 der Protestsongs, gewählt von den Hörern.
Hier belegte 'Welterusten, mijnheer de president' den ersten Platz.


Nach zwölf Jahren intensivem touren in den Niederlanden und Belgien legt Boudewijn 2008 eine Ruhepause ein, und erwähnt, er möchte sich darauf konzentrieren, neues Material zu schreiben.

Anlässlich seines 60. Geburtstags und seines 40. Künstlerjubiläums erhielt Boudewijn im Mai 2004 eine bronzene Statue, die im Theater von Gouda ihren ständigen Platz hat. Zum gleichen Anlass wurde ihm ein Gemälde geschenkt, das im Februar 2009 im erneuerten Stadttheater von Haarlem aufgehängt wurde.

Boudewijn macht Seine Neu Theatertour, mit dem Titel 'Wilde Jaren' ['Wilde Jahre'], von September bis Ende von Mai 2010




Nach oben
Zurück
Nach heim